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Yoga und die Entwicklung von Resilienzfähigkeit

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In der Psychologie bezeichnet der Begriff Resilienz (lat. resiliere: abprallen, sich zusammenziehen) die Widerstandsfähigkeit eines Individuums, sich trotz ungünstiger Lebensumstände und kritischer Lebensereignisse erfolgreich zu entwickeln.1

Dabei wird zwischen Resilienz als Eigenschaft und Resilienz als Fähigkeit unterscheiden. Erstere wird weitestgehend als angeboren betrachtet und als Reaktion auf schädliche Umgebungen verstanden. Letztere stellt mehr eine Frage der individuellen Bewältigung von schwierigen Ereignissen oder Lebensumständen dar. 2

Da sich Yoga mit Entwicklungsfragen des Menschen beschäftigt und folglich damit, was man unabhängig von seiner Genetik und den mitgebrachten Voraussetzungen neu gestalten kann, soll hier insbesondere die Resilienzfähigkeit in eine genauere Betrachtung rücken. Es stellt sich die Frage, wie Yoga nicht nur einen Ausgleich zu belastenden Situationen schafft, sondern wie die Praxis der Körperübungen āsana ganz konkret bei der individuellen Bewältigung von herausfordernden Situationen eine Orientierung und damit eine Stabilität eröffnen kann.

Bei der Yogapraxis begibt sich die übende Person geplant und selbst gewählt in eine spannungsreiche Situation. Vor allem zu Beginn ist die Praxis nicht selten von Unlust, Schmerzen oder Antipathiegefühlen geprägt, die erst einmal überwunden werden müssen, damit ein freudiger Rhythmus und damit verbunden ein Aufbau von Lebenskräften entstehen kann.

Das bewusste Aufsuchen von herausfordernden Situationen, ob beim Yoga oder auch auf andere Bereiche bezogen, eröffnet dem Individuum die Möglichkeit, die eigenen subjektiven Grenzen selbstbestimmt zu überschreiten und nächste Erfahrungen und Lernschritte zu tätigen. Nach anfänglicher Überwindung können sich unvorhersehbare Fähigkeiten zeigen und es gedeihen neue stabilisierende Gefühle, die erst durch die positiv bewältigte Herausforderung entstehen konnten.

Doch vor allem die Übungspraxis selbst, bzw. wie sich der/die Einzeln/e innerhalb dieser innerlich positioniert, eröffnet ein geordnetes Übungsfeld für die Entwicklung von Resilienzfähigkeit.

Diese wird jedoch nicht automatisch durch die Yoga-Übungen gefördert, sie kann vielmehr durch bestimmte Elemente innerhalb der Übungspraxis gezielt geschult werden.

Ein wesentlicher Punkt wäre die Beobachtungsfähigkeit. Damit ist weniger das alltägliche Beobachten gemeint, welches tendenziell ohne bestimmten Fokus geschieht und mehr ein umherschauen beschreibt, wobei das Gesehene bewusst oder meist unbewusst mit Sympathie oder Antipathie assoziiert wird. Die Beobachtung innerhalb der āsana weist im Gegensatz dazu eine etwas andere Art der Beobachtung auf. Zum einen ist der Fokus auf etwas Bestimmtes gerichtet, zum Anderen erfolgt die Beobachtung möglichst objektiv, d.h. frei von bereits genannten subjektiver Gefühlen wie Sympathie oder Antipathie. Als praktisches Beispiel kann der Fisch, matsyasana, dienen. Innerhalb der Stellung werden konkret die Spannungsverhältnisse im Körper beobachtet: Welche Bereiche sind entspannt bzw. verspannt? Welche Bereiche benötigen eine sinnvolle Aktivität, wo ist die Anspannung jedoch hinderlich?

Durch diese geordnete und objektive Betrachtung einer Situation, die sich subjektiv sehr angespannt anfühlt, kehrt eine erste Ruhe in das Nervensystem ein. Die sensorischen Nerven erfahren durch diese bewusst geführte Tätigkeit eine entlastende Stärkung. Aus dieser geschaffenen Ruhe, können nun die weiteren Schritte erfolgen. Es wird ein Bild kreiert, wie die āsana weiter in eine konstruktive Formung gebracht werden kann, welche weiteren Schritte nun Sinn machen und welche Aktivität dafür zielführend ist. Erst dann erfolgt eine gezielte und bewusst erwogene Handlung. Hier werden nun auch die motorischen Nerven aktiv, jedoch nicht aus dem gewohnten Automatismus, sondern aus einer gegenwärtigen Wahrnehmung, einer klaren Vorstellung und einer bewusst entschiedenen Handlung.

Dieses Vorgehen ermöglicht dem Individuum, sich sich von determinierenden Vorerfahrungen und damit verbundenen Gefühlen der Unzulänglichkeit zu emanzipieren und einen neuen Umgang mit Herausforderungen zu finden. Je mehr die beschriebenen Fähigkeiten der objektiven Beobachtung und der konkreten Vorstellungsbildung geübt werden, umso mehr finden diese auf natürliche Weise ihren Weg in das Leben und bilden eine stabilisierende und entwicklungsfördernde Basis.

1 https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/resilienz

2 https://de.wikipedia.org/wiki/Resilienz_(Psychologie)#Resilienz_als_Pers%C3%B6nlichkeitseigenschaft_oder_F%C3%A4higkeit

Autorin: Zora

 

Was bedeutet eigentlich āsana?

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Der Begriff āsana beschreibt eine Haltung oder Stellung1. Im Raja-Yoga, welcher auch Königlicher Yoga genannt wird, ist āsana das dritte Glied eines achtstufigen Pfades. Patanjali verfasste vor rund 2000 Jahren die sogenannten Yoga-Sutren, in denen er in knappen Sätzen die Philosophie und Praxis des Yoga beschreibt. Dieses Werk bildet heutzutage für viele Yoga-Richtungen die Grundlage des Übens und ist auch verbreitet unter dem Begriff ashtanga-Yoga, was mit Gliederung oder Stufenfolge übersetzt werden kann.

Mit āsana sind im ursprünglichen Sinne jedoch nicht die heute so vielfältig verbreiteten Körperpositionen gemeint, vielmehr drückt sich damit zunächst eine bestimmte Sitzhaltung am Boden aus. In den yoga-Sutren wird āsana in drei Versen relativ knapp beschrieben.2

II, 46: sthira-sukham-āsanam

Die Sitzhaltung ist stabil und angenehm.

Die āsana war keinesfalls eine Methode zur Optimierung des Körpers sondern eine wichtige Grundlage für die weitere Meditationspraxis, in der der Körper seine natürliche Einordnung gefunden hat. Er sollte einerseits stabil und fest, zugehörig zur Materie erlebt werden, sich nicht aufdrängen und andererseits eine gewisse Leichtigkeit zum Ausdruck bringen.

Sinngemäß kann diese Beschreibung auch als ,,wirklich glückliche Stellung“ übersetzt werden.

II, 47: prayatna-śaithilya-ananta-samāpatti-bhyām

Sie ist gekennzeichnet durch Freiheit von Spannungen und der Ausrichtung zum Unendlichen.

Die Spannungen können sich einerseits auf körperliche Zustände beziehen, oder weiter gefasst auch auf seelische Spannungen, die durch die irdische Welt natürlicherweise gegeben sind und den Menschen allein durch das In-der-Welt-Sein begleiten.

Da aber die vergängliche irdische Welt und somit der Körper ihre entsprechende intuitive Einordnung fanden, konnte das Bewusstsein sich klarer zum Gegenpol des Unendlichen ausrichten. Auch kann diese Bewegung andersherum betrachtet werden, dass durch die Ausrichtung zum Unendlichen die Freiheit von Spannungen entsteht. Das Zurückweichen der materiellen, irdischen Spannungen hängt also mit der Ausrichtung des Bewusstseins hin zu einer geistigen Dimension zusammen.

III, 48: tato dvaṅdva-an-abhighātaḥ

Diese Haltung erlaubt Freiheit von Polaritäten und Freiheit von Angriffen.

Die irdische Welt zeichnet sich gewissermaßen durch die Zweiheit aus, die in den unterschiedlichsten Erscheinungen ihren Ausdruck findet. In diesem Spannungsfeld befindet sich auch der Mensch, solange er sich nicht Kraft seines Bewusstseins darüber erhebt und sich einer größeren Dimension annähert die sich der irdischen Polaritäten enthebt.

Dieser Zustand wird durch die Umsetzung und Übung der weiteren Schritte der achtstufigen Pfades angestrebt. Das Bewusstsein identifiziert sich somit nicht mit dem Körper, dem Vergänglichen, sondern richtet sich gedanklich frei auf eine Nicht-irdische, auf eine geistige Dimension aus. Diese Ausrichtung wiederum, führt den Menschen aus dem Nichtwissen in das Wissen, aus der Dunkelheit ins Licht, aus dem Nicht-Sein in das Sein. Durch diese Erkenntnis kann der Mensch den Umständen grundlegend anders entgegentreten und den Gegebenheiten, den Spannungen, den Angriffen verschiedenster Art entgegentreten ohne sich darin zu verwickeln.

1 Heinz Grill,Die Vergeistigung des Leibes, Lammers-Koll, 2004

2 http://yoga-praxis.de/wp-content/uploads/2015/12/Yoga-Sutra.pdf

Autorin: Zora

 

Die Begriffe brahman und atman und ihr Zusammenhang

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Der Begriff brahman

Brahman (Sanskrit, n. ब्रह्मन् brahman) bezeichnet in der hinduistischen Philosophie die geistige Welt der Urbilder der gesamtem Weltenschöpfung, der alle Ideen, Gedanken und Formen entspringen.1 Es handelt sich bei dieser geistigen Welt aber nicht um eine monotheistische göttliche Absolutheit. Diese Philosophie beschreibt vielmehr einen Pluralismus, der sich in verschiedenen Gottheiten und einer Vielzahl von Bildern und Tugenden ausdrückt.2 Diese mannigfaltige geistige Welt ist jedoch keine dem Menschen weit entfernte und unerfahrbare Dimension. In der Regel rückt sie allerdings nicht ausreichend in das Bewusstsein und deshalb lebt er für gewöhnlich in einer sogenannten maya, einer Unwissenheit und Illusion. Nach dem Weltbild des advaita-vedanta verhüllt diese maya wie ein Nebelschleier das einzig reale brahman, sodass der Mensch nur die irdische Welt der Erscheinungen wahrnimmt und diese fälschlicherweise für beständig hält.3

In der westlichen Philosophie benennt Platon diese übergeordnete Dimension, welcher alle irdischen Erscheinungen zugrunde liegen, als Ideenwelt. Demnach stellt die Welt der Ideen die wahre Realität dar, während alle sinnlich wahrnehmbaren Objekte lediglich ein Abdruck dieser sind.4 Rudolf Steiner prägt für diese Welt der Ideen den Begriff Geisterland. Darin finden sich die geistigen Urbilder aller Dinge und Wesen, die in der Welt vorhanden sind und der auch die menschlichen Gedanken entspringen. So wie der Schatten an einer Wand das Abbild eines Gegenstandes darstellt, so stellt der menschliche Gedanke ein Abbild eines Urbildes dieses Gedankens aus dem Geisterland dar.5

Diese übergeordnete, apersonale Realität, welche sich in den verschiedenen Begriffen brahman, Ideenwelt, geistige Welt oder Geisterland ausdrückt, ist für den Menschen nicht unmittelbar mit den Sinnen erfassbar oder gar sichtbar. Sie kann jedoch durch Schulung der Bewusstseinskräfte von Denken, Fühlen und Wollen differenziert erfahrbar werden und sich schließlich personal durch den einzelnen Menschen ausdrücken. Dieser individuelle Ausdruck wird, wenn die Verwirklichung die höchste Stufe der Erkenntnis gewinnt, atman genannt.

Der Begriff atman

Atman (Sanskrit, n., आत्मन्,) kann mit Lebenshauch, oder Atem übersetzt werden. Er beschreibt einen in jedem Menschen inneliegenden Keim, der im Laufe des Lebens zu einer höheren Entfaltung kommen will. Allgemein wird darunter das verwirklichte Selbst verstanden, welches auch als „individueller Wesenskern“ benannt werden kann.6 In den alten Schriften der indischen Philosophie, den Upanishaden, wird die individuell verwirklichte Seele jedoch nicht isoliert betrachtet, sondern durchaus in einem engen Zusammenhang mit einem größeren Ganzen, einer Weltenseele verstanden.7 Während brahman die apersonale Welt des Geistes beschreibt, bezieht sich atman auf das verwirklichte personale Individuum.

Der Zusammenhang zwischen brahman und atman

In der Lehre des indischen Philosophen Shankara werden die beiden Begriffe gleichgesetzt, was bedeutet, dass atman von gleicher Qualität wie brahman ist.8 Dadurch wird beschrieben, dass die individuell verwirklichte Seele atman ein Ausdruck der geistigen Welt der Ideen und Gedanken brahman wird.9 In der indischen Philosophie wird dieser Weg in die drei Stufen manas, buddhi und atman gegliedert. Daran angeknüpft entwickelte Heinz Grill mit dem ,,Neuen Yogawillen“ einen zeitgemäßen spirituellen Schulungsweg, der den Entwicklungsgedanken in die Mitte stellt und praktisch beschreibt, wie jeder Mensch eine universale Idee zu einem erstrebenswerten Ideal entwickeln kann und dieses schließlich durch seine gesamte Persönlichkeit ausdrückt.

Die drei Stufen: manas, buddhi, atman

Manas beschreibt im Allgemeinen das durch Logik gekennzeichnete Denken. Es bezieht sich in einfachster Form auf alle reflektierenden und rezipierenden Denkvorgänge. Dieses kann schließlich in eine Erweiterung gelangen, wenn bewusst getätigte Vorstellungen gebildet und in logischer Folge weitergedacht werden. In einem gehobenen Sinne beschreibt manas die menschliche Fähigkeit, eine universale, übergeordnete Idee selbstständig zu lebendigen Vorstellungsbildern zu entwickeln. Dieser Vorgang ist jedoch kein intellektueller, kategorisierender, sondern beschreibt einen feinfühligen, bewegten und schaffenden Prozess im Bewusstsein.10

Buddhi bildet als zweite Stufe das Bindeglied und steht mit der Gefühlswelt in einem Zusammenhang. Damit sind allerdings nicht die gewöhnlichen Emotionen gemeint, die aus dem Unbewussten automatisch aufsteigen, sondern bewusste und sensible Empfindungen, die aus der vorstellenden Denktätigkeit manas kreiert werden. Indem eine Idee längere Zeit zu konkreten Vorstellungen entwickelt wird, entstehen feine Wahrheitsempfindungen, die den Menschen durchdringen und ihn mit dieser Idee zunehmend verbinden. Dadurch wird die Realisierung dieses Ideals zu einem tiefen Anliegen im Menschen.

Atman berührt die tiefste Seelenkraft des Willens und kommt in eine Entfaltung, wenn sich eine Idee über die Kraft des Denkens manas, verbunden mit tiefen Wahrheitsempfindungen buddhi bis in die gesamte Persönlichkeitsstruktur und damit den Willen atman ausdrückt. Diese verwirklichte und entwickelte Willenskraft steht jedoch nicht isoliert für sich selbst, sondern idealerweise in einer abgestimmten Verbindung zu den höheren Gesetzen der geistigen Welt brahman und damit auch zu den Mitmenschen. Der individuelle Mensch repräsentiert dann durch seine ganze Person eine universale Weisheit und strahlt diese durch seine Handlungen und Worte aus. Die Verwirklichung eines höheren Ideals für ein Gesamtes verleiht eine natürliche Authentizität, wirkt sich stärkend auf die Mitmenschen und die Umgebung aus und erbaut schließlich den gesamten Kosmos.11

Die Aussage von Shankara lautet: „atman ist gleich brahman“ und sie bedeutet, wie dargelegt, dass die höchste Verwirklichungsstufe, die ein Mensch erringt mit der urgeistigen Welt brahman übereinstimmt.

1https://heinz-grill.de/geistige-heimat-gegen-lugen/

2Heinz Grill: Die 7 Lebensjahrsiebte und die 7 Chakren, Synergie Verlag, Roßdorf, 2019, S. 37

3Helmtrud Wieland: Das Spektrum des Yoga, 1992, Verlag Hinder und Dehlmann, Gladenbach, S. 323

4https://de.wikipedia.org/wiki/Ideenlehre

5https://anthrowiki.at/GA_9#III._Das_Geisterland

6Helmtrud Wieland: Das Spektrum des Yoga, 1992, Verlag Hinder und Dehlmann, Gladenbach, S. 134

7Heinz Grill: Die 7 Lebensjahrsiebte und die 7 Chakren, 2019, Synergie Verlag, Roßdorf, S. 203

8Helmtrud Wieland: Das Spektrum des Yoga, 1992, Verlag Hinder und Dehlmann, Gladenbach, S. 243

9https://de.wikipedia.org/wiki/Shankara

10Heinz Grill: Die 7 Lebensjahrsiebte und die 7 Chakren, Synergie Verlag, Roßdorf, 2019, S. 191

11https://heinz-grill.de/geistige-heimat-gegen-lugen/

Autorin: Zora